Karriere vs. Wissenschaft – Zur Verbesserung der Bedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs
Wissenschaftler könnte ein schöner Beruf sein. Denn man hat als Wissenschaftler Zeit und Raum, Dinge zu durchdenken und zu erforschen. Wissenschaft scheint als Raum der Freiheit, als ein Ort an dem Neues entstehen kann. Dies ist zumindest das Bild, das viele von dem Wissenschaftsbetrieb haben, bevor sie in diesen eintreten. All dies trifft zum Teil auch zu. Es gibt jedoch eine Kehrseite, die der Öffentlichkeit kaum bekannt ist. Dies betrifft vor allem die Arbeitssituation, wie sie sich für viele Nachwuchswissenschaftler in Deutschland derzeit gestaltet: Kaum Aussicht auf ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis, keine ausreichende Finanzierungssicherheit allein schon während der Qualifikationshase (Promotion), Arbeitszeiten einer vollen Stelle bei halber Bezahlung, keine ausreichende Zeit neben den tägliche Projekten der Promotion nachzugehen zu können, kaum unbefristete Anstellungsverhältnisse u.v.m. All dies ist Realität an vielen deutschen Lehrstühlen und Instituten. Selbstredend unterscheidet sich diese Situation von Universität zu Universität und Fachbereich zu Fachbereich. Insgesamt jedoch bleibt festzuhalten, dass der Wissenschaftsbetrieb nicht im Elfenbeinturm stattfindet. Zutreffender ist eher das Bild eines baufälligen, einsturzgefährdeten Gebäudes.
In den letzten Jahren enthält dieser Umstand immer mehr Einzug in die öffentliche Diskussion, besondern da das Thema inzwischen auch von den Tagesmedien aufgegriffen wird (z.B. hier). Auch das Templiner Manifest der GEW und andere Bemühungen scheinen Wirkung zu zeigen. Ende April 2012 hat die Bundesregierung einen Vorentwurf zur Verbesserung der Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses mit dem Titel „Exzellente Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs fortentwickeln“ herausgegeben. Es ist ein Zehn-Punkte Plan der diverse zentrale Problembereiche im Bereich des wissenschaftlichen Nachwuchses benennt.
Ich befürchte, dass mich die positiven Folgen dieser Initiative nicht mehr erreichen werden. Und so gestaltet sich die Perspektive, nach meiner Promotion im Wissenschaftsbetrieb zu bleiben als nur bedingt attraktiv. Die Vorstellung, wenn dann ggf. man eine Familie hat, ständig nur Zwei- bis Drei-Jahres-Verträge und somit keine Planungssicherheit zu haben, maximal mobil sein zu müssen, um eine neue geeignete Stelle irgendwo in Deutschland finden zu können u.v.m., machen Wissenschaft zu keiner attraktiven Berufsperspektive. Hinzu kommt, dass einer Wechsel in die privatwirtschaftliche Welt sich oft schwieriger gestaltet, je länger die Tätigkeit im Wissenschaftsbetrieb war. Hier gibt es ohne große Frage Unterschiede zwischen den Disziplinen. Für einen Sozialwissecnahftler scheint mir diese Einschätzung jedoch sehr zutreffend. Was also tun?
Es ist eine Frage, die von vielen angehenden Akademikern m. E. zu wenig reflektiert wird. Wenn man Interesse an einer wissenschaftlichen Tätigkeit hat, dann ist man i.d.R. erstmal glücklich, als Post-Doc eine Drei-Jahres-Stelle bekommen zu haben. Die strategische Frage, wo dies einen in zehn Jahren hinbringen wird, wird oft erfolgreich verdrängt. Das Motto ist meist: „Da wird sich schon was ergeben“. Vielleicht wird es das. Was jedoch wenn nicht? Will ich wirklich sehendes Auges das Risiko einer derart unsicher Berufsplanung eingehen, in der Hoffnung irgendwann eine Professur oder eine der wenigen unbefristeten Post-Doc Stellen zu ergattern? Eine gewissen Sorglosigkeit im Umgang mit dieser Frage scheint mir mitunter sogar zum guten Ton zu gehören. Die Gefahr dieser Haltung ist jedoch gegeben. Denn jenseits der akademischen Welt wartet man nicht gerade auf einen hochqualifizierten habilitierten Germanisten, der mit 40 Jahren aufgrund des Wissenschaftzeitvertragsgesetzes einen neuen Beruf sucht.
Vor diesem Hintergrund freue ich mich über die Initiative der Bundesregierung und ihr Ziel, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Ich hoffe, dass dieser Vorstoß auf Resonanz trifft und langfristig zu einer deutlichen Verbesserung der Situation im akademischen Mittelbau führen wird. Mir erscheint Wissenschaftler als ein schöner Beruf was den Inhalt betrifft. Es wird Zeit, dass dies auch für die übrigen Rahmenbedingungen zutrifft.
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